Von der Reichsstadt zur Industriestadt (1681-1871)

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Von der Reichsstadt zur Industriestadt (1681-1871)

Mit der Errichtung von Adelspalästen im Pariser Stil entlang der einstigen römischen Stadtmauer verlagerte sich die Machtsphäre langsam von der Place Gutenberg zur Place Broglie.

Im Rahmen seiner Reunionspolitik besetzte Ludwig XIV. Straßburg im Dezember 1681 und verleibte es seinem Königreich ein. Straßburg wurde zu einer Festung an der Grenze und zu einer großen Garnisonsstadt ausgebaut.

Die Stadt als Festung

Vauban, Festungsbaumeister von Ludwig XIV, übernahm zahlreiche bestehende strategische Bauwerke und fügte weitere hinzu, insbesondere die Zitadelle, die er mit dem Stadtzentrum verband. Die östliche Stadtmauer der Krutenau wurde abgerissen. Da die Überdachten Brücken, die „Ponts Couverts“Straßburgs Achillesferse waren, wurde zu ihrem Schutz die Vauban-Schleuse errichtet. Für die Verteidigung der Festung war eine Garnison von 5000 bis 6000 Mann erforderlich, für die entlang der Stadtmauer auf den am wenigsten bebauten Gebieten Kasernen errichtet wurden (Esplanade und Zitadelle). Weitere militärische Bauwerke waren das 1695 errichtete Militärkrankenhaus, das Hotel du Gouverneur in der Rue de la Nuée Bleue und das vergrößerte Arsenal, in das 1703 auf der Höhe des Pferdemarktes die königliche Kanonengießerei integriert wurde.

Einfluss von Adel und Bürgertum

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich das höfische Leben von Adel und Bürgertum, dessen Spuren bis heute in der Stadt zu sehen sind. Zwischen 1732 und 1742 wurde das Palais Rohan als Residenz für die Fürstbischöfe der Rohan errichtet. Seine Architektur zeigt, dass man sich zunehmend am französischen Geschmack orientierte. Adelspaläste, Patrizierhäuser und Bürgerhäuser entstanden in der Rue Brûlée und der Rue de la Nuée Bleue. Aus finanziellen Gründen ließ der Magistrat nur begrenzte städtische Umwandlungen vornehmen. Aus den Gärten des Hôtel de la Prévôté des Domkapitels wurde 1738 die Place du Marché-Neuf. Die Place St-Pierre-le-Jeune nahm Gestalt an, nachdem die Mauer des alten Friedhofs beseitigt worden war. 1769 wurde in der einstigen Cour Brûlée die Place du Marché-Gayot gebaut. Der Schlossplatz wurde von 1732 bis 1742 bis zum Palais Rohan und zum Jesuitenkolleg erweitert.

Im 18. Jahrhundert wurden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt zahlreiche von Linden gesäumte Prachtboulevards angelegt. Intra muros entstand 1740 der einstige Pferdemarkt, der botanische Garten wurde dreimal nacheinander vergrößert: 1736, 1769 und 1783. Außerhalb der Befestigungsanlagen wurde 1692 die Promenade Lenôtre (Parc de l’Orangerie) und 1764 ein Feld für Hakenbüchsenschützen (Contades) angelegt.

Verkehr und Sauberkeit

Um der Probleme von Verkehr, Hygiene und Sauberkeit in der Stadt Herr zu werden, bat der Magistrat den König, einen Architekten zu entsenden. Dieser ernannte Jacques-François Blondel, dessen Bauplan am 2. Oktober 1768 angenommen wurde. Der Plan sah den Ausbau neuer Verkehrsachsen vor, darunter die Achse von der Porte de Saverne zur Porte de Bouchers, also von Paris kommend in Richtung Kehl, sowie die Achse von Lyon in Richtung Basel. Begradigte Straßen und Gassen sollten die Stadt offener und heller machen. Viele Gebäude wie das Palais de la Monnaie, die Pfalz und die Kanzlei wurden abgerissen und wegen mangelnder finanzieller Mittel nicht wieder aufgebaut. Das Projekt eines Waffenplatzes (Place Kléber) an der Stelle des Barfüßerplatzes und des Franziskanerklosters, das ein Jahrhundert zuvor abgerissen worden war, wurde nicht umgesetzt. Das einzige Gebäude, das Jacques-François Blondel letztlich bauen ließ, war die Aubette, die 1778 fertiggestellt wurde und in der ursprünglich die Büros des Generalstabs und die Leibwache des Königs untergebracht waren.

Die Französische Revolution

Die Wirren der Französische Revolution ließen die Stadt in einem verwahrlosten Zustand zurück. Die meisten Paläste waren verlassen, kirchliche Bauwerke zerstört, öffentliche Plätze verwüstet. Wie überall in Frankreich wurden die Institutionen der neuen Macht in verstaatlichten Kirchengütern und verlassenen Stadtresidenzen untergebracht. Da der Neubau nach den Plünderungen von 1789 nicht mehr benutzbar war, ließ sich die Stadtverwaltung vorübergehend im Palais Rohan nieder. 1806 wurde das Palais Kaiserresidenz und Napoleon Bonaparte übergab der Stadt den Hanauer Hof als Rathaus. Das Hôtel Klinglin wurde Sitz der Präfektur und im Hôtel de Deux-Ponts (Palais Zweibrücken) residierte der Militärgouverneur. Das Gericht bezog die frühere Residenz des Gouverneurs in der Rue de la Nuée-Bleue. Dadurch verlagerte sich die Machtsphäre von der Place Gutenberg an die Place Broglie, in die Rue Brûlée und die Rue de la Nuée Bleue.

Zwischen 1800 und 1830 veränderte der Stadtarchitekt Valentin Boudhors die Promenade Lenôtre und fügte 1804 den Pavillon Josephine hinzu. Sein Nachfolger, Jean Villot, ließ 1824 das neue Stadttheater, 1826 die Weizenhalle (Ende des 19. Jahrhunderts zerstört) und 1831 das Pharmakologische Institut errichten. Der Bau des Stadttheaters (heute Opéra du Rhin) und die Aufschüttung des Gerbergrabens gaben der Place Broglie ihre heutige Gestalt. 1861 wurde auf an der Place du Château (Schlossplatz) die Kaiserliche Sanitätsakademie (Ecole Impériale de Santé Militaire) gebaut.

Modernisierung der Stadt

Ab 1830 wurde die Straßburg modernisiert und in rund 12 Straßen wurden Gaslaternen angebracht. Die hygienischen Zustände verbessern sich mit dem Bau der ersten Kanäle und der Aufschüttung des Gerbergrabens zwischen 1836 und 1840 von der Langstross (Grand’Rue) bis zur Präfektur. Hinter der Aubette wurde von 1838 bis 1840 die Kleine Metzig wiederaufgebaut. 1841 war das Kanalisationsnetz über 7,2 Kilometer lang. 1860 übernahm der Haussmann-Schüler Jean-Geoffroy Conrath die Leitung des Bau- und Architekturamtes der Stadt. Er ließ Abwasserkanäle bauen, den öffentlichen Raum umstrukturieren, Straßen pflastern und Bürgersteige anlegen. Zwischen 1836 und 1840 wurde der Gerbergraben überwölbt und mit einem Abwasserkanal versehen.

Anlässlich der Eröffnung des Rhein-Rhône-Kanals 1833 wurde der Rheinhafen modernisiert und im Norden der Stadt ein neues Wirtschaftzentrum geschaffen. Der Abriss der Fausse-Braie am Canal du Faux-Rempart zwischen 1831 und 1838 ermöglichte die Schifffahrt in einer 30 Meter breiten Fahrrinne. Brücken wurden renoviert oder neu aufgebaut, zwischen der Petite France und der Kirche St-Etienne entstanden Uferpromenaden. Der Bahnhof Marais-Vert wurde 1852 in Betrieb genommen und verlagerte das Zentrum der wirtschaftlichen Aktivität in den Norden des einstigen Zentrums.